Der Farrenstall


In loser Folge berichten wir an dieser Stelle anlässlich des 750-jährigen Jubiläums immer wieder über die Geschichte besonderer Gebäude in Roßwälden. Heute geht es um den Farrenstall.

Farrenstall – wieso dieser Name? Heute ist das Gebäude an der Wellingerstraße ein gern genutzter Bürgersaal und Hauptsitz der Roßwälder Feuerwehr. Aber früher?

Früher war die Milchviehhaltung in Roßwälden lange Zeit neben der Schafhaltung die wichtigste Einnahmequelle vieler Roßwälder Bürger. Das lag vor allem an der Lage des Orts. Zwischen den Hängen des Roßrain und des Hohrückens eigneten sich viele Flächen nicht zum Ackerbau, sie konnten nur als Wiesen für Kühe und Schafe genutzt werden.

Deshalb war auch die Vatertierhaltung ein notwendiges und wichtiges Anliegen in der Gemeinde, da es ja nicht möglich war, dass sich jeder Bauer zur Deckung (Besamung) seiner Kühe einen Farren (Bullen) leisten konnte. Und das Gebäude, in dem die Vatertierhaltung betrieben wurde, wurde und wird in Baden-Württemberg als Farrenstall bezeichnet.
Schon 1333 wird die Pflicht des Pfarrherrn Mals zur Farrenhaltung erwähnt. Und diese Pflicht blieb erstaunlicherweise Jahrhunderte bei der kirchlichen Obrigkeit. Die Bauern mussten als Gegenleistung insbesondere den Heu- und Öhmdzehnten an den Kirchherrn abgeben. Im Laufe der Zeit aber wurden die Roßwälder mit der Haltung der Farren durch den Kirchherrn unzufrieden und es heißt, es gab „viel Verstimmung und Verdruß“.

Im Jahr 1764 wandte sich der Schultheiß (Bürgermeister) an die königliche Regierung und bat um die Überlassung der Farrenhaltung an die Gemeinde und die Ablösung des Heuzehnten. Aber erst 1837 ging das Recht der Farrenhaltung, nach vielen Streitereien zwischen Pfarrherr und Gemeinde, an die Gemeindeverwaltung über und der Zehnte wurde endlich abgelöst. Die Gemeinde selbst übergab die Farrenhaltung an einen Bauern. Ab 1852 an den Bauern Frey gegen Deputat auf 12 Jahre. Dieser hielt den Farren in seinem eigenen Stall, zu dem dann alle Bauern mit ihren Kühen zur Besamung kamen. Etwa 80 Jahre wurde so verfahren.

Erst 1929 beschloss die Gemeinde, einen eigenen, separaten Farrenstall am Dorfrand zu bauen, in dem bis zu vier Bullen Platz hatten und zeitweise auch ein Ziegenbock gehalten wurde. Im Dachgeschoss wurde das Heu und Öhmd zur Fütterung der Tiere sowie das Stroh zur Einstreu gelagert.
Die Gemeinde war verpflichtet, die Vatertiere zu kaufen und zu halten. Um Inzucht zu vermeiden, musste wenigstens alle zwei Jahre von der Gemeinde ein neuer Bulle gekauft werden. Die Bauern zahlten sogenanntes Sprunggeld. Zur Betreuung der Bullen stellte die Gemeinde einen Farrenwärter an. Da war meist einer der Bauern, die sich dabei etwas dazuverdienen konnte. Dieser musste auch den Bullen herausführen, wenn die Bauern ihre Kühe zur Besamung brachten. Das war eine verantwortungsvolle und nicht ungefährliche Aufgabe, waren die Bullen doch sehr schwer und manchmal auch unberechenbar. Die Bullen wurden, wie auch heute noch, zum Schutz des Farrenwärters, mit einem Zwangstock am Nasenring geführt.

Ab 1963 gründeten die Bauern einen Bullenhaltungsverein, um selbst gute Bullen zu kaufen, da die Gemeinde nicht mehr gewillt war, die teuren Bullen zur Verfügung zu stellen. Die Bullen wurden immer auf einer überregionalen Versteigerung gekauft.

Bis 1995 brachten die Bauern ihre Kühe zu Fuß in den Farrenstall. Doch ab den 50er-Jahren gab es dann auch schon die künstliche Besamung durch den Tierarzt und der Einsatz der Gemeindebullen ging langsam zurück, 1995 wurde der Farrenstall als einer der letzten im Landkreis endgültig geschlossen.

Dieses Haus, auch heute noch „der Farrenstall“ genannt, wurde danach vorbildlich umgebaut und dient weiterhin der Gemeinde. Der Bürgersaal unter dem Dach des früheren Farrenstalls wird in vielfältiger Weise genutzt, sei es als Sitzungssaal, für Geburtstagsfeiern als auch für Vereinszwecke. Er ist aus dem Dorfleben nicht mehr wegzudenken. Und die Abteilung Roßwälden, die zweitgrößte Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Ebersbach, hat hier eine adäquate Bleibe gefunden.

Aufgeschrieben von Walter Zwicker