Die Alte Schmiede in Roßwälden


von Karl-Heinz Weiler

Im Ortsnamen Roßwälden steckt bereits die Vermutung, daß man hier schon von Alters her mit Pferdehaltung zu tun hatte. Im „Rosswälder Stab“ (siehe im Quellennachweis unter (1)) heißt es auf Seite 9, daß es bereits 1521 in der Gemeinde 26 Pferde gab, die für Kriegszwecke zur Verfügung standen, es eine kleine Pferdezucht gab und die Pferdeweide am Rossrain war.

(Der Rossrain ist das Flurstück zwischen dem „Köhler“-Waldstück an der heutigen Wellinger Strasse und dem Waldstück Steinbis. Er umfasste also das Gebiet rechts und links der heutigen Rossrainstrasse, vorbei an den Tennisplätzen, weiter zu den Linden und bis zum Wasserspeicher im Waldstück Steinbis).

Wo Pferde eingesetzt werden, geht es auch immer um deren Hufpflege und dementsprechend lassen sich auch Schmiedewerkstätten im Ort nachweisen (siehe Übersicht Seite 10). Im Güter- und Steuerbuch der Gemeinde ist bereits 1743 der Schmied Friedrich Kirchner eingetragen und in der oben zitierten Quelle wird auf Seite 72 notiert, daß es bereits 1759 einen „im Feuer arbeitenden Handwerksmann“, den Hufschmied Abraham Widmann gab. Für beide war die Schmiedewerkstatt zwischen dem Rathaus und der „Gemeine Gass“ (heute Dorfstrasse), die dort vermutlich bis 1788, dem Todesjahr von Abraham Widmann, betrieben wurde. Nach ihm hatte Melchior Eberle eine Schmiede in der heutigen Steinbisstrasse. Sein Amboß ist noch heute im Haus Eberle (Wellinger Strasse) auf einem Holzsockel vorhanden.

Dieser Amboß trägt auf seiner Seitenfläche (linkes Bild, unter der Zange) folgende Initialen:

18 S.W. 04 → ( Schmiede Werkstatt)

Amboss mit Zeichen 18 S.W. 04
M. E. → ( Melchior Eberle)

1809, so lässt sich im Stadtarchiv nachlesen, kaufte sein Sohn Tobias Eberle das elterliche Haus. Zuvor waren drei seiner Brüder nach Reading, Pennsylvania ausgewandert und hatten dort ebenfalls eine Schmiede gegründet. Tobias Eberle führte seine Schmiede bis vermutlich 1856. 1865 wurde das Gebäude abgerissen.

Von einem weiteren Schmied berichtet Frau Ilse Keyl, (geb. Hochstetter) in ihrer Jahresarbeit (2) auf Seite 59. Dort erwähnt sie, daß bis 1846 der Schmied Christian Frech ein Haus neben dem Rathaus hatte. Nach dessen Kauf und dem Abriß durch die Gemeinde wurde dort – an das Rathaus angelehnt – das ehemalige Schulgebäude mit Lehrerwohnung gebaut (heute genutzt für Gemeindewohnungen). Das Schmiedegebäude blieb stehen und wurde noch 1846 (10) zu dem bis heute genutzten Backhaus umfunktioniert. Christian Frech zog an den Rossrain (damals Haus 98) und hat dort ab1856 als Baumwollweber gearbeitet.

Das Schmiedehandwerk führte der aus Weilheim-Teck stammende Karl-Jakob Bauer weiter, nachdem er 1859 das Bürgerrecht von Roßwälden erworben, die Christina Schöllkopf geheiratet und eine Hälfte des erst 1857 gebauten Bauernhauses seiner Schwiegereltern, im Gairenweg 2, gekauft hatte. (Karl-Jakob Bauer ist der Urgroßvater von Hermann Däuble (*1939) , der den Bauernhof dort noch heute betreibt). Aus den nachstehenden Unterlagen des Oberamts Kirchheim geht hervor, daß K.-J. Bauer die „Alte Schmiede“ 3 Jahre später (1862) geplant und vermutlich im gleichen Jahr auch gebaut hat.

Zeitgeschichtliche Einbindung:

– 1858 beginnt die Erdölgewinnung – USA, Pennsylvania; Russland, Kaukasus.

– Das Automobil wird erst 1886 erfunden.

Foto von Hermann Däuble

Ölgemälde von Friedrich Bauer 1903 (Wegweiser: li. nach Kirchheim und re. nach Ebersbach)

In der Schmiede wurden alle Metall behandelnden Arbeiten, die in einem von der Landwirtschaft geprägten Dorf anfallen ausgeführt. Der Beschlag für Pferde und Kühe (sofern sie auch als Zugtiere eingesetzt wurden) war nur der kleinere Teil der Tätigkeit von Carl-Jakob Bauer. Auch zur Herstellung von Ackerwagen, Eggen, „Handwägele“, „Krählespressen“, Hacken, Äxten, Keilen, Gabeln, Spaten, Hopfenlochern, Sensen (genannt „Sägese“) usw. waren seine Fähigkeiten gefragt. Das Nachschleifen sämtlicher Werkzeuge und Ackergeräte besorgte er natürlich auch.

1894 übergab er die Hälfte des Betriebes an seinen Sohn Carl. Dieser gab ihn später – wiederum an seinen Sohn – der, wie der Großvater Carl-Jakob hieß, weiter. (Fotos von diesem siehe unten und auch unter (3)). Gelernt hat er in Kirchheim beim Schmied Schmid (heute Fa. Schraubenschmid). Etwa 1924 übernahm er den elterlichen Betrieb. Zur gleichen Zeit wurde der bis dahin angeschlossene Bauernhof – im Zuge einer Erbteilung – abgetrennt. Während er seine Schmiede in der Tradition seiner Vorfahren weiterführte, wohnte er mit seiner Familie (Frau Helene, geb. Hoyler, den Töchtern Elisabeth u. Margarethe Attinger, sowie dem Sohn Reinhold) in dem Bauerhaus der heutigen Dorfstrasse 38 (das Haus wurde durch einen Brand 1945 zum Großteil vernichtet und wieder aufgebaut) .

Foto von Walter Zwicker

Kuhbeschlag 1935

Einige Roßwälder erinnern sich noch: Zur Erntezeit war er vor allem mit dem Dengeln von Sensen beschäftigt, was täglich überwiegend vor und nach dem Mähen geschehen musste. Er war also spät abends und in aller Herrgottsfrühe im ganzen Ort zu hören. Ein besonderer Ohrenschmaus soll es gewesen sein, wenn für die Wagenräder die Eisenreifen geschmiedet und aufgezogen wurden. Um ein gleichmäßiges Schlagen von zwei Helfern zu erzielen schlug der „Chef“ mit dem Hammer den Takt auf dem Amboß. Dabei zielte er so virtuos auf verschiedene Amboßstellen, daß wohlklingende Melodien seine Umgebung beschallten. Die Nachbarn schlossen nicht etwa die Fenster – nein, sie öffneten sie, wenn in der Schmiede schweißtreibend und präzise gearbeitet wurde. Dies, und auch der oft fröhlich singende Schmied, sowie die Faszination von glühendem Eisen waren der Grund, weshalb – Jungen wie Mädchen – oft erst sehr verspätet wieder nach Hause kamen, wenn sie in der Schmiede etwas zu besorgen hatten. Von manchen betagten Roßwäldern erfährt man, daß diese Klänge heute noch wohltuend in ihren Ohren haften. (Für seinen unmittelbaren Nachbarn, den Schneider Friedrich Schmid, waren sie allerdings Ruhestörung – so wird berichtet). Viele seiner Erzeugnisse sind im Ort noch nachweisbar, weil er sie meist mit seinen Initialen (K X B) gekennzeichnet hat. Von besonderem Prestigewert waren die, in Zusammenarbeit mit dem Wagner Gottlob Fischer, gefertigten Kutschen. Für den Reichenbacher Landarzt Dr. Otto Klenk

(* 13.04.1892 † 19.01.1981) war es eine einachsige mit einer aufmontierten 3-sitzigen Gartenbank. Dem Roßwälder Hühnerfarmbesitzer Gottlob Vollmer (* 14.03,1905 † 18.09.1979) baute er ebenfalls eine Einspänner-Einachs-Kutsche, jedoch mit einer Janusbank ( nur eine Rückenlehne mit Sitzflächen nach vorn und nach hinten). Den Kindern fertigte er u.A. Reifen an, die mit einem von ihm entworfenen Treibstab angetrieben wurden und ein besonders gefragtes Spielzeug waren. Die Stabspitze hatte er nämlich so zugeschmiedet, daß die Reifen damit nicht nur angetrieben, sondern auch sicher geführt und sogar gebremst werden konnten – eine Roßwälder Novität. Neben der Arbeit in seiner Schmiede hat er als geschätzter Innungsmeister auch zahlreichen Lehrlingen die Gesellenprüfung abgenommen.

Originalfotos im Besitz seiner Töchter Margarethe Attinger / Elisabeth Bauer ↓

(aufgenommen ca. 1939)
Karl-Jakob Bauer(1897-1964) „Der Chef mit 2 katholischen Helfern“
(aufgenommen ca. 1943)
Der Chef mit Sohn Reinhold (Pfeil, gefallen 1945),Karl Rau, Karl Fischer
vorne: Hermann Däuble, Kurt Sättele und Kurt Schmid sein direkter Nachfolger ab 1968

Nachdem K.-J. Bauer gestorben war, wurde die Schmiede ab 1965 verpachtet. Pächter war Georg Wallner, der keinen Hufbeschlag mehr durchführte.

1968 kaufte Kurt Schmid den Betrieb und das Schmiedegebäude. Zusätzlich erwarb er später ein Wohnhaus gegenüber (ehemals Schneider Schmid), das er als Büro und Lager für Kleinteile einrichtete. Für Großteile und mechanische Arbeiten mietete er einen weiteren Lagerraum im Gairenweg Nr.8 an. Kurt Schmid hatte bei Christian Bauer (6) – einem Bruder von Karl Bauer – in Ebersbach gelernt. Durch seine weiteren Tätigkeiten in den Firmen Allgaier in Uhingen, Wörner in Reichenbach und der WLZ in Göppingen, war er zu einem exzellenten Fachmann gereift. Anfangs widmete er sich auch wieder dem Beschlag an Pferden und Kühen und war auch als Klauenpfleger (bis 1990) weithin gefragt. Mit seinen profunden Fachkenntnissen hatte er Freude daran, Unmögliches möglich zu machen.

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